Bericht über unseren Arbeitsbesuch in Mombasa April und Mai 2010
Mombasa im Frühjahr bedeutet Regenzeit. Doch die vielen Jahre zuvor bedeutete Regenzeit, dass es in der Nacht zwei, drei Stunden regnete oder auch mal am Tag ein intensiver Regenguss niedergegangen ist. Ich bin also schon häufig durchgeweicht zurück in mein Quartier gekommen. Dieses Jahr bedeutet Regenzeit fast durchgängigen Dauerregen, abgelöst durch Regengüsse. In Deutschland mag es ja auch manche Tage regnen, aber das Gefühl, nur durch Schlamm zu waten und sich ständig schmutzig zu fühlen, habe ich nur hier erlebt.
Trotz aller widrigen Umstände hat uns wieder ein volles Programm erwartet. Neben den üblichen Notwendigkeiten, wie Anwesenheitskontrolle der Kinder sowie Bezahlen der Schulgelder für das zweite Term, wollen wir diesmal alle Kinder neu fotografieren und die Daten mit unserer Datenbank abgleichen. Darüber hinaus müssen in der neuen Schule schon einige Baureklamationen bearbeitet sowie das Management und die Lehrer angeleitet werden. Das mag immer simpel klingen, aber vor Ort sieht das ganz anders aus. Ein Beispiel: Die zweite Haupttür zum Schulgarten und zum Pausenplatz ist kaputt. Aber nicht erst seit Kurzem, sondern seit Februar ist das Scharnier abgerissen. Es kümmert jedoch niemanden, da hier selten etwas richtig in Ordnung ist. Da diese Tür jedoch für die Sicherheit der Schule und für den Weg zum Pausenplatz wichtig ist, teilte man uns den Zustand jetzt erst mit. Die Baufirma hat die Reklamation sofort anerkannt und war gerade dabei, die gesamte Türfüllung herauszustemmen, als wir eintrafen. Jürgen Kielmann hat die Unsinnigkeit der Arbeit sofort erkannt und vorgeschlagen, das Scharnier doch lieber vor Ort mit einem Schweißgerät wieder anzuschweißen. Da wir keinen Strom haben, musste dazu noch ein Aggregat zur Stromerzeugung besorgt werden. Nach sechs Tagen hatten wir schließlich beides an der Schule. Die ersten Tests zeigten jedoch, dass das Stromaggregat zu schwach für das Schweißgerät war und ein anderes nicht beschaffbar war. Also wurde am achten Tag die gesamte Tür aus der Fassung gestemmt und in die Stadt zum Schweißen gebracht. Nach elf Tagen war sie schließlich wieder eingebaut, verputzt aber ohne Farbanstrich. Diese Beschreibung der Dinge zeigt jedoch nicht annähernd, welche Schwierigkeiten jeder einzelne Arbeitsschritt mit sich brachte. Durch den Regen, ist unsere Schule seit Tagen für kein Transportmittel mehr erreichbar! Mehr muss ich, glaube ich, nicht sagen. Was für uns unsinnig erscheint ist hier Alltag!
Die Arbeit mit dem Management und den Lehrern ist nicht viel einfacher. Da wir keine Zimmerdecken in den Klassenräumen haben, ist es teilweise sehr laut. Mehrfach habe ich schon den Lehrern erklärt, dass durch geschickte Methodik die Lautstärke deutlich abnimmt. Es ist in Afrika üblich, dass alle Kinder immer im Chor Wörter oder Antworten wiederholen; das bringt natürlich Schall.! Teilweise ist es so laut, dass man in den anderen Klassenräumen sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Jedesmal versuche ich zu erläutern: Auch Einzelwiederholungen pro Kind bringen gleiche Lernerfolge. Stets nickt man zwar verständnisvoll und will es versuchen, aber nach zwei Tagen ist alles beim Alten. Begründung: Hier ist eben Afrika, man hat es immer schon so gemacht.
Aber nicht mit mir! Dann ziehe ich meine Rede zur Eröffnung der Schule wo ich ein Sprichwort aus Ghana vom Stamm der Ewe zitiert habe::“ So haben wir es immer gemacht, bringt den Fortschritt nicht voran“ Mit den eigenen Waffen geschlagen, zieht dann meistens betretenes Schweigen ein.
Noch ein Wort zur Entwicklungshilfe in Afrika sei mir gestattet. Es ist nicht damit getan eine Schule, einen Brunnen oder gar ein Hospital zu bauen. Es bedarf einer langfristigen Begleitung der einmal begonnenen Projekte(durch die Investoren), wenn man deren Nachhaltigkeit sichern will. Das muss auch in Deutschland verstanden werden, und die afrikanischen Partner müssen es genau so sehen und wollen. Beide Seiten haben hiermit so Ihre Probleme. Gerade bei den Entwicklungshilfeprojekten von NGO´s will man zwar Nachhaltigkeit haben, da aber jedes Investitionsprojekt nach Abschluss in das Eigentum des afrikanischen Staates oder der afrikanischen Organisation übergeht, ist der Einfluss des Geldgebers praktisch gleich null. Auf der anderen Seite glauben die Afrikaner nach Abschluss der Investition das „Going Enterprice „ easily ist. Es wird bei allen Fragen und Problemen zu sehr davon ausgegangen, dass Afrika zwar anders ist, aber im Endeffekt europäisches Know- how in allen Lebensbereichen verstanden, akzeptiert und umgesetzt wird. Und das mag sogar auf einige wenige zutreffen, die im Ausland studiert haben und mit ihren afrikanischen Wurzeln nicht zu sehr verbunden sind. Aber die anderen 95% sind auf einer Entwicklungsebene, und das soll nicht überheblich klingen, die unserer noch lange nicht entspricht. Wenn man das verstanden hat, weiß man, warum Entwicklungshilfe so schwierig ist. Ich könnte hunderte Beispiel dafür aufzählen… unter anderem den Umgang mit Schulbüchern, die hier in Kenya für die Eltern extrem teuer sind. Doch nach einem Term (drei Monate) kann man dieselben als solche fast nicht mehr erkennen. Die Bücher werden runter geworfen, als Gaudi zerfetzt und unbrauchbar gemacht. Woran liegt das? Früher zu Kolonialzeiten konnten die meisten Afrikaner nicht lesen, Informationen wurden mündlich von Generation zu Generation oder oft in Liedform weitergegeben. Das ist heute noch so. Was der Großvater einmal an Erfahrungen gesammelt hat, wird heute noch als aktuell erzählt. Musik spielt eine tragende Rolle, in den Texten sind alle Stammeserfahrungen über Familie, Dorf und das Leben allgemein enthalten. Alle Stämme haben da aber ihre verschiedenen Erfahrungen eingebracht; das geht heute noch so weit ,dass bestimmte Restaurants gemieden oder bevorzugt werden weil es die Überlieferungen so darstellen.
Die Entstehung der Menschheit und deren bedeutende Entwicklung ist den meisten Afrikanern völlig fremd.
Wenn unsere afrikanischen Freunde, Lehrer, Direktoren Papier in die Hand nehmen, erfassen sie es mit der vollen Handfläche und allen Fingern. In kurzer Zeit ist es total zerknittert, ob das ein wichtiges Dokument oder nur die Zeitung ist. Bei einem Europäer, der das Papier mit Daumen und Zeigefinger aufgreift, sieht man bei mehrfacher Benutzung kaum Gebrauchsspuren. Das ist sicherlich nur eine unvollständige Erklärung, aber sie macht doch eins deutlich: Afrikaner haben wenig Respekt vor dem gedruckten Wort, weil sie nicht wissen, wie es entsteht und welchen inhaltlichen Wert es haben kann. Den Kindern diesen Respekt beizubringen im Zeitalter von Internet (kennt jeder Kenianer) und Handy (hat und nutzt jeder Kenianer) ist extrem schwer. Die neue Zeit hat Afrika voll im Griff, ohne das seine Menschen an der Entwicklung bis hierhin aktiv teilgenommen haben.
Teil 2 folgt