Reisebericht November-Dezember 2008
Hitze ist relativ. Aber um diese Jahreszeit ist es in Kenia besonders schlimm.
Die Hitze steht förmlich in der Luft und die erhoffte Abkühlung am Abend ist kaum zu spüren. Wir, das sind diesmal meine Mutti, Dr. Hans Heiner Fährmann und ich. Unsere Aufgabenliste ist nicht klein, 104 neue Verträge an neun Schulen sowie eine Reihe zu klärender Fragen für unser Projekt und das neue Schuljahr.
Gleich am ersten Tag haben wir die Pearlsworth School besucht. Mister Katana und Lilien, unsere Chairlady von Elimu ya Kenya, haben den Eltern und Lehrern die neuen Verträge erläutert. Aufgrund großzügiger Spenden konnten wir diesmal wieder jedem Kind Zahnbürste u.- paste sowie diverse Schreibmaterialien schenken. Solange die Veranstaltung einen offiziellen Rahmen hat sind die Eltern sehr zurückhaltend, aber sobald dieser vorbei ist, sind sie sehr emotional und ihre Dankbarkeit ist nicht mehr zu verbergen. Nach einem Flug mit diversen Verzögerungen und der Temperaturumstellung sind aber schließlich alle froh, dass der erste Tag geschafft ist.
Am nächsten Morgen sind wir in der Marvil Academy. Da dieser Tag gleichzeitig der Abschluss des Schuljahres ist, haben die Schüler ein kleines Programm für ihre Eltern und uns vorbereitet. Unsere abzuschließenden Verträge müssen also noch warten. Da die meisten Kinder nur ihre Muttis haben, sind überwiegend Frauen aller Religionen in ihren bunten oder schwarzen Trachten ( Moslems ) im Raum. Die jüngsten Kinder sind gerade mal drei, die ältesten neun Jahre. Es wird viel gesungen und es werden Gedichte und Sketche vorgetragen. Es ist dabei immer zu spüren, dass die Älteren die Jüngeren unterstützen damit sie ihren Teil mit Bravour absolvieren können. Das ist zum Beispiel so, wenn die Kleinsten ein Lied vortragen und ihre zarten Stimmen zu versiegen drohen. Zwischendrin werden Zeugnisse ausgeteilt und Geschenke für besonders gute Leistungen verteilt. Natürlich sind wir aufgefordert bei den Schake hands dabei zu sein. Denn die Gelegenheit, dass ein Mzungu (Europäer) die Gratulation vornimmt, ist für die meisten Kinder sicherlich einmalig. Das kleine Programm dauert schließlich bis Nachmittag. Danach können wir mit den Vertragsgesprächen anfangen. Am Abend dann noch ein bisschen Reden über Gott und die Welt, dann ist auch dieser Tag gemeistert.
Ein Problem von nicht geringer Auswirkung beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit:
die Eintragung des Vereins Elymu Ya Kenya. Die Gründung des Vereins vor eineinhalb Jahren ist noch immer nicht rechtsgültig vollzogen, da die Behörden in Nairobi Pole Pole (langsam, langsam) arbeiten. Ohne diese Urkunde ist jedoch die Arbeit unseres Partnervereins illegal. Und das kann nach kenianischem Recht sogar Probleme bringen. Ein Termin bei unserer Rechtsanwältin Frau Kasmani bestätigt mir zum wiederholten Mal das die Behörden nur in Bewegung geraten, wenn sie geschmiert werden. Während sich unsere kenianischen Freunde scheinbar damit abfinden wollen zu warten, möchte ich und Mr.Katana von der Pearlsworth Scholl den Prozess puschen. Bei dem extra dazu einberufenen Meeting am Sonntag setzen wir uns schließlich durch. Wir fahren nach Nairobi!!! Das will jedoch gut vorbereitet sein. Und so fangen wir morgen an. Wir werden uns erneut mit Frau Kasmani treffen, um die Strategie zu besprechen. Alle anderen Themen wie die bevorstehenden Projekte werden schließlich aufgeschoben.
Nach eineinhalb Wochen endloser Gespräche in Behörden und mit Agenten unserer Anwältin in Nairobi haben wir schließlich die Urkunde in der Hand. Die kenianische Bürokratie zu beschleunigen ist eine nervenaufreibende Sache. Glaubt man sich am Ziel, geht plötzlich alles wieder von vorn los. Aber wir haben es geschafft, und nur das zählt! Nun geht unsere eigentliche Arbeit weiter, denn die Registrierung unseres Partnervereins hätten eigentlich unsere kenianischen Freunde herbeiführen müssen. Aber durch unser Tun und Handeln lernen sie bestimmt dazu. Auch das ist Projektarbeit.
Nicht unerwähnt soll bleiben dass wir uns bei all unseren Terminen mit eigenem PKW durch und um Mombasa bewegen. Eine Fahrt in Mombasa ist am besten mit Poker zu vergleichen. Wenn man ängstlich ist und das die anderen Fahrer spüren lässt, hat man keine Chance. Man muss so fahren, als ob man alle anderen ignoriert und nicht sieht. Aus den Augenwinkeln entscheidet man dann schließlich, ob man den anderen die Vorfahrt schneidet und damit zehn Meter weiterkommt oder bis zum Abend da stehen bleibt. Weiße Touristen, die im Glauben welterfahren zu sein sich in Mombasa auf die Straßen trauen, müssen nicht selten mit Hilfe von Polizisten aus dem Schlamassel befreit werden; diese sind jedoch dann sehr erbost über die mangelnde Kaltschnäuzigkeit der Mzungus . Der Kampf mit den anderen Mitfahrern ist jedoch nur eine Seite des Straßenlebens von Mombasa. Da gibt es noch die Fußgänger. Deren Chance über die Straße zu kommen besteht schließlich nur darin, die Autofahrer zu ignorieren. Wenn man alles überstanden hat und voller Konzentration ist, wird einem schließlich die Beifahrertür aufgerissen und flinke Hände entwenden, was sie erhaschen können. Mir wurden so die Schlüssel zum Apartment geklaut. Aber keine Bange, wenn man mitten im dicksten Verkehr cool bleibt, taucht garantiert jemand auf, der den Dieb gegen entsprechendes Kleingeld fangen will. Und das funktioniert auf „wundersame Weise“ auch, und so fährt man schließlich weiter. Wenn man sich nach Ursprünglichkeit sehnt und einem Europa zu langweilig ist dann ist Afrika genau richtig. Hier wird Tag für Tag um den kleinsten Vorteil gekämpft, aber abends sind alle wieder Freunde und die Lebensfreude lässt den Tagesstress schnell vergessen.
Dieser Einsatz in Mombasa war einer der anstrengendsten überhaupt, viele Meetings mit unserem Partnerverein und viele Kontaktgespräche für unser großes Ziel, den Schulneubau nächstes Jahr vorzubereiten. Und nicht zu vergessen die Gespräche in den Schulen mit Lehrern und Eltern.
Ein persönliches Erlebnis möchte ich zum Schluss noch zum besten geben. Da unser Aufenthalt diesmal die Weihnachtszeit tangierte, ist Mombasa natürlich allerorten geschmückt. Eine Werbung auf einem riesengroßen Plakat an der Hauptstraße zeigt ein Kind mit seinem Wunschzettel! Darauf ist folgendes zu lesen: Ich wünsche mir 1. Essen 2. Die Schule zu besuchen und 3. Kleidung. Während in der großen weiten Welt Milliarden verzockt werden durch unermessliche Gier nach immer größeren Profiten, wünscht sich ein Kind in Afrika als erstes Essen. Vielleicht sollten wir die „Macher“ dieser Finanzkrise mal ohne einen Cent nach Afrika schicken damit sie die eigentlichen Probleme unseres Erdballs mal wieder live erleben. Den Datenskandal in Deutschland u.a. bei der Berliner Landesbank habe ich übrigens in Kenia direkt gespürt. Meine Kreditkarte war für zwei Wochen gesperrt, da hab ich mich schon halb als Kenianer gefühlt. Ohne ausreichend Geld im Hintergrund lernt man viele Dinge zu schätzen.
Gunter Nehrig und Team