Reisebericht 26.08.–09.09.2007
Nachdem es diesmal nicht einfach war mein Übergepäckantrag bei Condor zu stellen hat es drei Wochen gedauert eine entsprechende Genehmigung vor allem wegen dem Rollstuhl zu erhalten.
Am Flughafen in Frankfurt hat die Frau am Check-In jedoch in ihrem System diese Genehmigung nicht gefunden! Erst energisches Argumentieren und meine Faxbestätigung haben den Vorgang sehr zur „Freude“ der Wartenden nach 30 Minuten abgeschlossen. Beim Einstieg kam es ebenfalls zu Verzögerungen weil ein querschnittsgelähmter dunkelhäutiger Passagier auf seinen Platz gebracht werden musste. Abdalla Zuna Yuma ein in Kenia geborener Holländer wollte nach drei Jahren seine Familie in Mombasa besuchen. Er saß neben mir am Fenster und ich merkte sehr schnell, dass er für diese Reise viel Mut gebraucht hat. Bei fast allem war er auf Hilfe angewiesen, von der Sitzposition bis zum Essen. Die Stewardessen waren total überfordert und sehr froh, dass ich die meisten Probleme für und mit Abdalla gelöst habe( Extragetränke waren der Lohn). Als es plötzlich rumpelte, waren wir schon in Mombasa. Das war mein kürzester Flug nach Kenia.
Am Airport-Zoll gab es die üblichen Kontrollen und den Versuch der Zöllner den Touristen Trinkgelder oder Geschenke abzuluchsen. Mit zwei großen Koffern, einem Laptop und einem Rollstuhl bei nur zwei Händen habe ich schließlich den Laptop am Zoll vergessen. Erst im Auto Richtung Mombasa wurde mir das mit Schrecken bewusst. Also schnell zurück zum Moi Airport und siehe da fünf Beamte sicherten meinen verlorenen Laptop. So bestechlich sie auch in kleinen Dingen sind, so haben sich doch alle sehr gefreut, mir den Laptop wiederzugeben.
Die Fahrt zum Hotel ist immer ein Erlebnis: Menschenmassen, die einem scheinbar unsichtbaren Ziel in vielen Richtungen folgen. Eins wird jedem Mombasa- Besucher schnell klar. Die Uhren gehen hier anders. Ich wollte gleich am ersten Tag die Sponsorengelder auf der Bank einzahlen. Da jedoch der Präsident Kibaki zu politischen Kundgebungen, im Dezember ist Wahl, erwartet wurde, war Stau ohne Ende. Zwischen den Autos tanzende und singende Menschen in froher Erwartung, den Präsidenten live zu sehen! Aber auch viele von diesen Emotionen völlig unbeeindruckte Menschen haben die Straßen verstopft. Die Bank selbst das reinste Chaos, es war ausgerechnet auch noch Zahltag, also warten!
Am Dienstag haben die Gründer von unserem kenianischen Partnerverein. Elymo ya Kenya ein Meeting organisiert. Im Moment zählt der Verein zehn Mitglieder, darunter auch zwei Deutsche, Dr.Hans-Heiner Fährmann und ich. Chairlady ist Frau Lilien Muzungu. Der Verein muss noch in Nairobi registriert werden. Wir haben alle Projekte unserer künftigen Zusammenarbeit ausführlich besprochen. Besonders die Projekte Schulgarten und Wissensolympiade fanden großes Interesse und Zustimmung. Dabei wurden jedoch auch die möglichen Probleme, wie zum Beispiel das noch nicht vorhandene Grundstück für den Schulgarten, diskutiert. Da ja viele der Anwesenden direkt in unsere Patenarbeit integriert sind, habe ich mein Arbeitsprogramm für diese zwei Wochen ebenfalls allen Mitgliedern vorgestellt. Jede Versammlung beginnt und endet mit einem Gebet, wobei man sich beim Schlussgebet immer die erfolgreiche Realisierung der Meetinginhalte wünscht.
An den folgenden Tagen habe ich dann alle sieben Schulen mindestens einmal besucht. Dabei habe ich auch die vielen Spenden (Zahnbürsten, Zahnpasta, T-Shirts, Uhren, Lehrmaterialien und vieles andere) überreicht, welche wir auch diesmal wieder dankenswerterweise zur Verfügung gestellt bekommen haben. Auch einige Elternbesuche habe ich durchgeführt, um vor allem Briefe oder Geschenke von einigen Paten individuell zu überreichen.
An den Schulen habe ich besonders die Anwesenheit unserer Patenkinder geprüft sowie von allen Zeugnissen Kopien angefertigt. Jede Fahrt zu den Partnerschulen ist dabei ein Abenteuer. Da es bis August noch viel geregnet hat, sind die „Straßen“ nur mit großer Vorsicht zu befahren ( siehe meinen Reisebericht April ). Aber alle Straßen sind gegen die Fahrt zu Furaha noch ein Kinderspiel. Die Port Ritz Schule liegt in der Nähe vom Hafen und ist durch die schweren Container LKW total ausgefahren. Senken bis zu einem Meter sind normal. Einmal angekommen sieht man viele behinderte Kinder, die einen alle erwartungsfroh anschauen, doch wir können nur Furaha etwas helfen. Aber uns erwartete eine böse Überraschung: Furaha, der schon im April Probleme mit einer nicht heilenden Wunde hatte, war von seiner Mutter ins Hospital nach Kilifi gebracht worden. Die Direktorin der Schule hat sich über unseren Besuch sehr gefreut und mich gebeten, Furaha den Rollstuhl doch selbst im Hospital zu übergeben. Kilifi liegt im Norden Richtung Malindi ca. 70 km von Mombasa entfernt, aber Straßen … . Ich habe es ihr schließlich versprochen, wer A sagt muss auch B sagen. Nach der Besprechung mit Furahas Lehrer haben wir die Rückreise angetreten. Noch ein Termin bei unserer Anwältin Frau Kasmani und auch dieser Tag war gegen 17.30 Uhr erfolgreich beendet! Erst dann merkt man, wie viel Flüssigkeit der Körper tagsüber verloren hat. Also geht es nach dem Abendbrot noch zu BOB´s auf „ein“ Bier. BOB`s ist eine typische afrikanische Kneipe mit Live-Musik. Kaum angekommen, fällt aller Tagesstress von einem ab. Wohin man auch schaut, fröhliche Gesichter und spontan tanzende Menschen. Da die Temperaturen im August/September noch angenehm sind (ca. 30°C am Tag) und es sich abends bei leichter Brise etwas abkühlt, kann man es gut aushalten.
Die Fahrt nach Kalifi war letztendlich zwar anstrengend aber nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Nach vielem Fragen am Straßenrand haben wir schließlich das Hospital gefunden. Auch hier wieder viele vorm Eingang wartende Menschen! Aber als Europäer wird man sofort durch das Tor gelassen. Das Krankenhaus selbst ein Lehrbeispiel für unseren Wohlstand. Auf der Suche nach Furaha frisch operierte Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern, Mütter die ihre mit Verbänden versehenen Kinder von Station zu Station tragen, und von Erwachsenen und schreienden Kindern verstopfte Gänge! Aber es war für afrikanische Verhältnisse sauber! Die Zimmer in einer Art Baracke aus Stein- alle zum Gang offen- waren ebenfalls mit Angehörigen überfüllt! In einem dieser Zimmer haben wir schließlich einen vor Staunen ganz sprachlosen Furaha mit seiner Mama gefunden. Besuch und dazu noch ein Mzungu (Europäer), alle im Zimmer Anwesenden haben ebenfalls mehr als gestaunt. Furaha und seine Mutter haben sich über den Rollstuhl und die Geschenke sehr gefreut. Und ich bin sicher, wenn Herr Lowisch welcher den Rollstuhl gesponsert hat, diese Freude gesehen hätte, wäre er für seine Mühe reichlich belohnt worden. Die Mama von Furaha erzählte uns, dass es noch keine Diagnose für Furahas Problem gibt. Da der Arzt nur montags hier arbeitet, muss sie noch viel Geduld haben. Sie selbst schläft nachts neben Furahas Bett auf dem Fußboden, wie die meisten Mütter hier. Außerdem muss sie Furaha selbst verpflegen und waschen.
Nachdem wir das Hospital verlassen hatten, brauchte ich als Fahrer des gemieteten PKW erstmal eine Pause. In der Straßenkneipe viele diskutierende Menschen, alle nur beim Thema Politik: Soll Kibaki, Kalonzo oder Raila die Wahl gewinnen. Jeder denkt dabei nur daran, was für seinen Stamm( es gibt 42 davon) das Beste ist. Die Diskussion vollzieht sich in Kiswahili, in Englisch, wenn man mich einbeziehen will, und in der Stammessprache (wenn man etwas aufgebracht ist), die dann die meisten nicht verstehen. Ich halte mich natürlich raus, wünsche aber allen Anwesenden einen guten Wahltag im Dezember.
So geht ein Tag nach dem anderen vorbei mit dem ständigen Gefühl, dass man in Deutschland für all diese Aktivitäten nur einen Bruchteil der Zeit bräuchte. Und wenn ich diesen Eindruck meinen afrikanischen Begleitern schildere, sagen sie nur :“ So ist Afrika!“Die ganzjährig hohen Temperaturen bringen auch Afrikaner zum Schwitzen! Die vielen Probleme, die zwar langsam, aber trotzdem mit Ausdauer und bewunderungswerten Lebensfreude bewältigt werden, nötigen einen immer wieder Respekt ab. Dabei wissen viele Kenianer dass durch ihre Stammesgeschichte und die Kolonialzeit ihr „Denken“ und das Umgehen mit Problemen anders, und teilweise nicht wettbewerbsfähig ist, z.B. im Vergleich mit den europäischen Denkstrukturen. Schlechtere Menschen oder gar unterentwickelte sind sie deshalb keineswegs. Vielleicht sind es eines Tages die Tugenden der afrikanischen Menschen, die uns aus der Wohlstandssackgasse wieder heraus führen!
Wieder in Deutschland gelandet, empfing mich im Düsseldorfer Flughafen gleich eine Schlagzeile aus der Presse: „ Welches Bier passt zum Käse ? “, da wurde mir schnell klar, ich bin wieder zu Hause!
Gunter Nehrig